2. Sonntag in der Fastenzeit Lesejahr B (Mk 9,2-10)
[…] und sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen (Mk 9,10).
Ich kann die Ratlosigkeit der Jünger verstehen. Die Frage nach der Auferstehung der Toten, die wir heute wahrscheinlich meistens zu schnell und zu kurz beantworten, brachte die Jünger Jesu zum Grübeln.
Zwar glaubten die Pharisäer sowie die Jesusbewegung jener Zeit an eine Art Auferstehung der Toten, was allein die Gerechtigkeit Gottes gebot. Da Gott ein Gott der Gerechtigkeit ist, der keinen Toten und das ihm widerfahrene Leid vergisst, musste den vielen, denen im Diesseits keine Gerechtigkeit widerfuhr, im Jenseits Gerechtigkeit verschafft werden. Ähnlich in den Anfängen der Kirche: Da sich die Gerechtigkeit Gottes nicht durchsetze und Menschen für ihren Glauben starben, so musste es doch die Hoffnung geben, dass für sie zumindest der Himmel offensteht.
Demgegenüber gab es auch jüdische Gruppen, die Zweifel an einer Auferstehung der Toten hatten. Wir kennen alle die Textstelle in diesem Evangelium (Mk 12,18-27), in der die Sadduzäer versuchten, die Auferstehung aufgrund von mythologischen Widersprüchen zu widerlegen. Da fragten sie Jesus, wie es denn im Himmel geregelt sei, wenn eine Frau mehrmals kinderlos Witwe wird und deshalb nach dem Gesetz der Schwagerehe den Bruder des verstorbenen Ehemannes heiraten muss, mit wem sie denn dann im Himmel verheiratet ist? Im Fallspeispiel der Sadduzäer heiratet die Witwe übrigens sieben Brüder nacheinander.
Jesus stellt den Sadduzäern ihren Irrtum dadurch dar, dass er zum einen erklärte, dass die Menschen im Himmel zu Engeln Gottes werden, die den patriarchalen Gesetzen der Ehe dann nicht mehr unterworfen sind. Zum anderen betonte er, dass Gott ein Gott der Lebenden ist, nicht der Toten.
Und hier wird es für uns spannend. Unabhängig von dem Leben nach dem Tod und wie dieses wohl aussehen mag, ist Gott zuallererst ein Gott der Lebenden.
Das wird dadurch deutlich, dass Gott eben nicht abwartet, um am Ende der Welt nur Gericht zu sprechen, sondern durch Jesus in diese Welt kommt und die Hungernden und Kranken an die Kraft Gottes erinnert.
In Jesus wird spürbar und sichtbar, dass Gott bei den lebenden Menschen sein will.
Und auch für die Jüngerinnen und Jünger und den Evangelisten, der diese Textstelle beschreibt, ist die Botschaft der Auferstehung nicht etwas für das Jenseits, sondern für das Hier und Jetzt.
Hier sei kurz auf das Osterfest vorgegriffen: Die Erfahrung der Jüngerinnen und Jünger, dass Gott lebt, er ein Gott der Lebenden ist, hat sie eben nicht in eine abwartende Stellung bis zum eigenen Tod oder bis zur Wiederkehr Christi geführt, sondern diese Erfahrung hat sie im Gegenteil in diesem Leben lebendiger denn je gemacht. In einer Phase der Resignation und Trauer hat sie die Erfahrung und der Glaube an eine zukünftige Auferstehung in der Gegenwart befreit, das Reich Gottes zu verkünden und so zu leben, wie Jesus es gelehrt hat.
„Von der Auferstehung zu reden heißt, Auferstehung zu praktizieren, denn Gott ist ein Gott der Lebenden.“ (Schottroff, 2002, Seite 17)
Der Auferstehungsglaube, den uns die Evangelien mit Jesus verkündigen, ist kein Auferstehungsglaube, der vertröstet und narkotisiert. Jesus spricht nicht von einem Gott, der erst nach dem Tod mächtig wird und Opfern Mitleid erweist.
Nein, in den Evangelien geht es immer um das Gegenmodell der Vertröstung. Beispielsweise zeigt uns die Heilung und Aufrichtung der „verkrümmten Frau“ im Lukasevangelium (Lk 13,10-17), dass Gottes Kraft bereits jetzt aufrichten will.
Es sind die vielen Auferstehungserfahrungen jener Menschen in den Evangelien, die uns lehren, dass besonders das Neue Testament Auferstehung auch als eine gegenwärtige Erfahrung des Neuwerdens und des Wandels versteht.
Und es sind die Jüngerinnen und Jünger, die durch die Auferstehung Jesu die Zerstörungskraft des Todes als die das Leben bestimmende Macht im Glauben überwunden haben und nun ganz neu leben konnten.
Luise Schottroff, eine evangelische Theologin, die einige Beiträge zur Thematik „Auferstehung im Leben“ verfasst hat, schreibt in diesem Zusammenhang: „Geboren zu werden [wird nun] nicht mehr als Beginn der Sterblichkeit und Vergänglichkeit, sondern als Beginn des Lebens und der Gottesbeziehung verstanden. Auferstehung sollte als Auferstehungspraxis, als Arbeit für das Leben begriffen werden.“ (Schotthoff, 2002, Seite 24).
Was heißt das nun für uns und diese Fastenzeit, in der wir uns ja erstmal auf das Fest der Auferstehung unseres Herrn vorbereiten?
Ich glaube, dieses Evangelium und diese Fastenzeit muss mehr denn je für uns eine Zeit sein, in der wir die vielen Auferstehungen in unserem Leben und unserer Umwelt wahrnehmen und uns auch vorbereiten, diese zu verkünden.
In einem bereits anderthalbjährigen Zeitraum des Verzichts und einem harten Winter-Lockdown konnte ich am letzten Wochenende so viele Menschen beobachten, die beim einbrechenden Frühling aufatmeten, den Weg in die Natur suchten und eine Hoffnung verspürten, dass das Leben auch wieder aufblühen kann. Dieser plötzliche Frühling wirkte auf die Menschen und ließ so manches Gemüht, dass nur noch Corona sah, neu aufblicken und wieder mehr an ein Leben nach dem Unheil glauben. Eine Botschaft, die wir Christen jedes Jahr an Ostern verkünden. Eine Botschaft, die jedes Jahr im Frühling von uns verkündet wird und die ein jedes Lebensjahr mit Höhen und Tiefen begleitet.
Als Christen haben wir die Pflicht, diese Hoffnung niemals zu vergessen und dürfen diesen Glauben in die Welt tragen, auch in den dunkelsten Tagen einer Pandemie.
Das letzte Wochenende war für mich schon ein kleines Zeichen, dass wir mit dieser Botschaft und mit diesem Glauben auch recht haben werden.
In Zeiten des ausfallenden Karnevals sprach vor kurzem ein Pfarrer in Köln davon, dass, sollte es wider Erwarten vor Ostern große Lockerungen geben, er Ostern sofort vorziehen würde, denn dann würde ja genau das eintreten, was an Ostern gefeiert wird: Auferstehung, hier und jetzt.
Und unabhängig von der momentanen Situation der Corona-Pandemie gibt es in unserem Leben so viele Momente der Auferstehung.
Da ist der Arbeitslose, der mir vor Kurzem berichtet hat, wieder einen Job bekommen zu haben. Nun könne er seine Miete doch wieder bezahlen und die Sackgasse, in der er sich befunden hat, ist überwunden.
Da ist der Flüchtling, der vor Krieg und Hunger geflohen ist, der sein Leben auf dem Mittelmeer schon beendet sah und nun mit dem Abitur in der Tasche einen Studienplatz in Deutschland sucht.
Da ist der depressive Mann, der durch die Begegnung mit seiner Verlobten neuen Halt und Stabilität bekam und nun mit der Hochzeit den Schritt in ein neues Leben wagt.
Da ist das Waisenkind, dass nach Zeiten in Heimen endlich wieder eine Familie gefunden hat und familiäre Geborgenheit erfährt.
Da ist der Anruf, der meine Einsamkeit durchbricht und mich erfahren lässt, dass es Menschen gibt, die an mich denken.
Der heutige Sonntag lädt uns ein, uns auf die Suche nach den gegenwärtigen Auferstehungserfahrungen zu machen. Er lädt uns ein, sie achtsam wahrzunehmen und sie mitzunehmen in das Osterfest, das Fest jenes Gottes, der ein Gott der Lebenden ist.
Seien wir also wachsam für die Auferstehung. Auf die jetzigen Auferstehungen und die kommende, die unser Leben schon jetzt verändern will.
Oder mit den Worten von Luise Schottroff: „Es gibt etwas, was uns nicht schlafen lässt. Die Kraft der Auferstehung verändert das Leben.“
Von Stefan Kaiser
Literatur: Luise Schottroff, „Es gibt etwas, das uns nicht schlafen lässt. Die Kraft der Auferstehung verändert das Leben.“ In: „Sich dem Leben in die Arme werfen. Auferstehungserfahrungen“, herausgeben von Luzia Sutter Rehmann et. al., Gütersloh 2002, Seite 16-29.