Hochmut ist eine der sieben Todsünden und gilt noch dazu oft als die schwerste von ihnen, denn Hochmut wird als Wurzel der anderen sechs (Neid, Zorn, Habgier, Völlerei, Wollust und Trägheit) betrachtet. Es gibt viele biblische Erzählungen, die uns davor behüten mögen, uns über andere zu erheben. Im heutigen Evangelium ist es abermals ein Pharisäer – ein vermeintlich frommer, gottesfürchtiger, gläubiger Mensch –, der sich sehr hochmütig über andere Menschen äußert, indem er Gott dafür dankt, nicht wie jene zu sein. Er stigmatisiert Andere und ist sehr selbstbewusst davon überzeugt, dass er genau auf dem richtigen Weg ist.
Jetzt in dieselbe Falle zu tappen und den Pharisäer einfach als arrogant und egoistisch einzustufen, wäre ein einfacher Weg. Doch was könnte noch dahinterstecken und welcher Beweggrund ist vielleicht unter der Oberfläche gar nicht zu erkennen?
Ich habe eine Vermutung, die ich auch heute und immer wieder in unserer Gesellschaft beobachte. Gerade wenn Menschen sehr selbstüberzeugt auftreten, lässt sich auf den zweiten Blick eine enorme Unsicherheit erkennen. Es ist eine Art (Überlebens-)Strategie, um von dieser „Schwäche“ und vielleicht sogar Ängstlichkeit abzulenken und sich genau gegenteilig zu geben. Das schafft einen Schutzraum vor vermeintlichen Bedrohungen und gleichzeitig entsteht eine Distanz zum eigenen Selbst. Abgesehen davon, dass ich das Wort „Schwäche“ absolut nicht negativ oder überhaupt bewerte, hilft es den Menschen, ihre Schwächen vor Anderen zu verbergen, doch sie verschließen diese Eigenschaften somit auch vor der eigenen Wahrnehmung und Reflexion. Was ich vor Anderen verstecke oder anders darstelle, hat auch Einfluss darauf, was ich selber von mir denke und es begünstigt die Verdrängung, vermute ich. Der Zolleinnehmer im Gegenzug bekennt seine Fehltaten und bittet Gott flehend um seine Gnade und Vergebung – und er wird von seiner Schuld befreit und geht als erlöstes Kind Gottes nach Hause. Zu seinen Sünden und Schwächen zu stehen und diese zu offenbaren, scheint für viele zu bedeuten, sich klein und wertlos zu fühlen, doch genau dies ist die wahre Größe! Jesus findet es grandios, wenn wir zu ihm kommen und uns ganz genau so zeigen, wie wir sind und ihm anvertrauen, was wir getan haben. Er möchte uns erlösen und in ein erfülltes Leben führen. Diese Umkehr bzw. das Zulassen von ihr, indem wir Fehler und Ansichten erst einmal selbst reflektieren und uns eingestehen, kann sehr schmerzhaft sein. Und doch ist es die Mühen wert, denn wir werden mit offenen Armen empfangen und brauchen anschließend keine Kraft mehr in Bewältigungsmechanismen oder Verdrängungsstrategien zu investieren.
Thale Schmitz
Evangelium:
Lk 18, 9-14: Das Gebet, das Gott hört
9 Mit einem weiteren Gleichnis sprach Jesus die Leute an, die sich für fromm und vorbildlich hielten und auf andere herabsahen: 10 „Zwei Männer, ein Pharisäer und ein Zolleinnehmer, gingen in den Tempel, um zu beten. 11 Selbstbewusst stand der Pharisäer dort und betete: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie andere Leute. Ich bin kein Räuber, kein Gottloser, kein Ehebrecher und schon gar nicht wie dieser Zolleinnehmer. 12 Ich faste zweimal in der Woche und von allem, was ich erwerbe, gebe ich den zehnten Teil für Gott.“ 13 Der Zolleinnehmer aber blieb weit entfernt stehen und wagte kaum aufzusehen. Er schlug sich an die Brust und betete: „Gott! Sei mir Sünder gnädig!“ 14 Ich sage euch, dieser Mann ging von seiner Schuld befreit nach Hause, nicht aber der Pharisäer. Denn wer sich selbst über andere erhebt, wird erniedrigt werden; aber wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“