Im Jahr 1936 schrieb der damals 33-jährige Reinhold Schneider das folgende Gedicht:
Allein den Betern kann es noch gelingen
Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten
Und diese Welt den richtenden Gewalten
Durch ein geheiligt Leben abzuringen.
Denn Täter werden nie den Himmel zwingen:
Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,
Was sie erneuern, über Nacht veralten,
Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.
Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt,
Und Menschenhochmut auf dem Markte feiert,
Indes im Dom die Beter sich verhüllen,
Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirkt
Und in den Tiefen, die kein Aug‘ entschleiert,
Die trockenen Brunnen sich mit Leben füllen.
Bis heute berühren seine Zeilen, weil sie für mein Empfinden bis heute vermitteln, wie tief empfunden Reinhold Schneider hier seine bzw. die Wahrheit beschreibt. Er, der gegen den Faschismus und seinen Größenwahn angeschrieben hat und 1945 wohl auch ein Opfer des Nationalsozialismus geworden wäre. Reinhold Schneider sollte wegen Hochverrats der Prozess gemacht werden, wenn nicht das Kriegsende ihn vor einem ähnlichen Schicksal wie Dietrich Bonhoeffer bewahrt hätte.
In seinem neuesten Buch veröffentliche der Theologe Fulbert Steffensky dazu vor wenigen Monaten folgende zu Reinhold Schneiders Gedicht passende Gedanken:
Jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht (Jesaja 9,4)
Schön wäre es, sagen wir, wenn das Gedröhn der Militärstiefel nicht mehr zu hören wäre. Schön wäre es, wenn nirgends mehr blutige Uniformen zu sehen wären. Aber, so sagen wir, die Welt ist nicht so. Solange das Böse existiert, muss man ihm entgegentreten; man muss die Menschen vor ihm schützen, notfalls mit Gewalt.
Vielleicht ist sogar richtig, was wir sagen. Vielleicht muss es Gewalt gegen die Gewalt geben, damit die Bosheit am Schlimmsten gehindert wird. Das mag wahr sein. Aber es ist eine pessimistische Wahrheit. Gewalt mag gelegentlich notwendig sein, aber sie ändert nichts am Lauf der Dinge. Unendlich ist der Kreislauf: Gewalt erzeugt Gewalt erzeugt Gewalt erzeugt Gewalt…
Es könnte sein, dass der Gedanke der Gewalt als Hilfsmittel uns in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wir denken ihn für die Sicherheit unserer Städte, unserer Länder. Schnell denken wir ihn für die Schule und die Erziehung.
Der alte Text, der für das Verbrennen der Soldatenmäntel plädiert, unterbricht diese zwanghafte und pessimistische Gedankenkette. Er lehrt uns zu denken, es könnte einen Zustand geben, in dem die Gewalt nicht mehr als schnelles Mittel gewünscht wird. Er nimmt der Gedanken der Gewalt seine dümmliche Selbstverständlichkeit. Was, wenn wir keine alten Texte mehr kennen? Dann haben wir unsere Lehrer verloren, und wir sind uns selber ausgeliefert.
(Quelle: ‚Schutt und Asche – Streifzüge durch Bibel und Gesangbuch‘, HG: Fulbert Steffensky, Radius-Verlag, S. 113)
Allein den Betern kann es noch gelingen… In diesem Sinne: Herzliche Einladung zum etwa zehnminütigen Friedensgebet dienstags bis samstags um ‚fünf vor zwölf‘ im Klostergarten am Propsteihof!
Stefan Tausch, Pastor